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Von den Ohren über die Filmmusik zu Emotionen

Physiologie des Ohres in Verbindung mit dem Gehirn

Das menschliche Ohr besitzt eine Kanalkapazität von 100.000 Bit/s und kann einen Frequenzbereich von ca. 20 Hz bis ca. 20kHz wahrnehmen. Das entspricht etwa 10 Oktaven. Das menschliche Auge besitzt eine Kanalkapazität von 10.000.000 Bit/s und kann den sichtbaren Bereich von ca. 400 nm bis ca. 750 nm wahrnehmen. Zwar wird an dieser Stelle stets erwähnt, dass - musikalisch ausgedrückt - dieser weniger als 1 Oktave entspricht, doch darf nicht vergessen werden, dass im Nanometerbereich die Auflösung viel genauer als im Hertzbereich ist.

Unbestreitbar ist jedoch eine Tatsache: "Das Gehör eines ungeborenen Babys ist wesentlich früher aktiv als die Augen, da Ohren nicht geschlossen werden können, um Reize auszublenden." Ohren nehmen immer Umwelteinflüsse, wie Geräusche oder Klänge wahr. So nimmt ein Ungeborenes bis zur Geburt 11 Mio. Herzschläge der Mutter wahr. Es registriert schnelles, langsames und pulsierendes Herzklopfen und nimmt ebenfalls die Rhythmen, Lautstärkeunterschiede, Klänge und Sprachmelodien der Mutter und des Vaters wahr. Somit nehmen wir bereits vor der Geburt die emotionale Wirkung der Mutter wahr und fühlen mit, was die Mutter fühlt. Diese Vorprägung kommt uns auch während der Kindheit zugute. Zuerst können wir Rhythmen, dann Melodien, aber erst wesentlich später Harmonien voneinander unterscheiden.

Nach diesem kurzen Umriss zu Emotionen und Empathie und deren ersten Verbindungen zu musikalischen Elementen kann nun betrachtet werden, wie Musik auf Emotionen anwendbar ist. Die ersten Untersuchungen gehen dabei wieder auf die "Einstufung verschiedener Emotionen" nach Schmidt-Atzert zurück.

Tempo zur Beschreibung von Erregung und Ruhe

Das Herz eines erwachsenen Menschen schlägt in der Ruhe durchschnittlich 60-80 Mal in der Minute. In der gleichen Zeit atmen wir 15-20 Mal. Das Verhältnis zwischen Herzschlag und Atmung ist also 4 zu 1. Demnach ist es nicht verwunderlich, dass der 4/4 Takt die Urform des Rhythmus - vor allem im Abendland - ist. Im erregten Zustand, beispielsweise beim schnellen Tanzen oder bei aufgeregten Situationen wie Angst, kann das Herz auch um die 120 Mal in der Minute schlagen, also doppelt so schnell wie in der Ruhephase. Im Schlaf oder beim Hören von beruhigender Musik sinkt hingegen der Herzschlag auf unter 60 Schläge die Minute.

Für Filmmusik bedeutet dies, dass mit Hilfe des Tempos Ruhe und Erregung hergestellt werden kann und entsprechend auf den Körper wirkt. So kann eine eben noch ruhige Filmszene ohne Musik durch temporeich einsetzende Musik wesentlich zu mehr Aufregung beitragen. Eine schnelle Filmszene kann mit langsamen Musiktempo beruhigt werden.

Konsonanz und Dissonanz zur Beschreibung von angenehm und unangenehm

Das Verhältnis zwischen zwei Klängen zueinander wird in der Musik mit konsonant oder dissonant beschrieben. Konsonant sind Klänge, die zueinander "harmonieren" und entspannend wirken. Dissonante Klänge "reiben" sich und erzeugen Spannung. Je dissonanter zwei Klänge zueinander sind, umso mehr hat unser Gehör das Bedürfnis, dass diese Spannung in Entspannung aufgelöst werden muss.

Die folgende Tabelle zeigt eine genaue Unterteilung von Konsonanz und Dissonanz:

Konsonanzen Dissonanzen
Vollkommen:
  • Oktave (12 Halbtonschritte)
  • Reine Quinte (7 Halbtonschritte)
  • Reine Quarte (5 Halbtonschritte)

Weich:

  • kleine Septime (10 Halbtonschritte)
  • große Sekunde (2 Halbtonschritte)

Unvollkommen:

  • große Sexte (9 Halbtonschritte)
  • große Terz (4 Halbtonschritte)
  • kleine Terz (3 Halbtonschritte)
  • kleine Sexte (8 Halbtonschritte)
Hart:
  • Tritonus (6 Halbtonschritte)
  • kleine Sekunde (1 Halbtonschritt)
  • große Septime (11 Halbtonschritte)

Nun erzeugen Dissonanzen und Konsonanzen noch keine Musik. Vielmehr kann die Kenntnis darüber entscheiden, wie die horizontale Musik, die Melodie, und die vertikale Musik, die Harmonie, ablaufen muss, um bestimmte Emotionen zu erzeugen. Je mehr Spannung eine Musik enthält, umso besser muss diese in Entspannung aufgelöst werden um auch beim Zuschauer zur Entspannung zu verhelfen.

Mit den Kenntnissen über Konsonanz, Dissonanz und Tempo, ist es nun möglich, die musikalischen Elemente gemäß der "Einstufung verschiedener Emotionen" nach Schmidt-Atzert einzuordnen. Dazu werden die musikalischen Elemente der x- und y-Achse zugeordnet. Damit können Emotionen den folgenden vier Quadranten zugeordnet werden:

Emotion Musikalische Elemente Emotionale Dimension
Traurigkeit Dissonanz/langsames Tempo Unangenehm/Ruhe
Angst, Ekel und Verlegenheit Dissonanz/schnelles Tempo Unangenehm/Erregung
Lust, Sehnsucht und Freude Konsonanz/schnelles Tempo Angenehm/Erregung
Mitgefühl und Zufriedenheit Konsonanz/langsames Tempo Angenehm/Ruhe

Melodie, Harmonie und weitere musikalische Elemente für den Einsatz in Filmmusik

Musik ist wesentlich komplexer als die beschriebenen Elemente Tempo, Konsonanz und Dissonanz. Da Musik über die Zeit wahrgenommen wird, ist der inhaltliche und zeitliche Verlauf von Musik zum Film wesentlich essenzieller als Tempo, Konsonanz und Dissonanz. Da ist zum einen die Melodie, die einer Filmszene eine entsprechende Bedeutung zuweist und zum anderen ist da die Harmoniefolge, die die Filmszene in eine bestimmte Stimmung bringt. Ebenso wichtig sind auch Klang, Dynamik (Lautstärke) und Pause. So ergeben sich aus einzelnen musikalischen Elementen Musikwerke, die ihre entsprechende Wirkung beim Zuschauer entfalten.

Zum Kapitel Zusammenführung der Erkenntnisse zur Anwendung an Filmmusik und Emotionen